Inhalt aus dem Archiv der Mitteldeutschen Zeitung

Vorfahrt für die Schwalbe

VON EVELYN JOCHADE

Gut besucht ist der Stand von Klaus Meske (re.) mit Motoren. (FOTO: E. JOCHADE)
Gut besucht ist der Stand von Klaus Meske (re.) mit Motoren. (FOTO: E. JOCHADE)
MÜGELN/MZ. Wo gibt es das noch? An einer Einmündung muss ein Trabant 601 stoppen und dem Vorfahrtberechtigten, einem Wartburg 311 mit weißem Dach und blauem Bauch, den Vortritt lassen. Der Fahrer des Trabi winkt freundlich und lässt auch gleich noch das folgende P-70-Coupé mit durch. Noch Minuten später, als die Fahrzeuge schon nicht mehr zu sehen sind, liegt der typische Geruch von mit Öl gemischtem Vergaserkraftstoff in der Luft. Der ist den etwas älteren Jahrgängen noch wohlvertraut und erinnert womöglich an den ersten eigenen fahrbaren Untersatz.

Und dieser kann durchaus auch nur zwei Räder besessen haben. "Guck mal, eine Schwalbe, die hatte ich auch", rief eine Frau dann gleich mal am Eingang zum weitläufigen Gelände des Ostmobile- Treffens am Wochenende in Mügeln. Sie hatte entdeckt, was vielen der weit über 1 000 Besucher sofort ins Auge sprang: Die Sammlung des veranstaltenden Vereins an motorisierten Zweirädern. In Reih und Glied standen da die Schätzchen und warteten darauf, bewundert zu werden.

Das wollten selbstverständlich auch die Autos, die die glühend heiße Sonne dazu nutzten, ihre Chromleisten so richtig in Szene zu setzen. Wer bisher dachte, die Bandbreite der Pkw aus Ostproduktion hätte sich auf drei bis vier Modelle beschränkt, wurde hier eines Besseren belehrt. Selbst eingefleischte Skoda-Fahrer hatten noch nie einen Skoda 120 GLS zu Gesicht bekommen und wunderten sich über dessen exklusive Frontgestaltung.

 

Flottes Cabrio blitzt

Einige schicke 311er und 312er Wartburgs weiter kamen sie aus dem Staunen nicht heraus. Blitzte und blinkte da tatsächlich ein alter Skoda Felicia in strahlendem Weiß als Cabrio mit dunkelroten Ledersitzen. Genau das Richtige für diese Temperaturen dachten sicherlich die älteren Herren, die sich um das Schmuckstück versammelt hatten und einmal auf den Tschechen und einmal auf den daneben stehenden und nicht weniger attraktiven Wartburg, zeigten.

 

Kann vom Benzin nicht lassen

"Wenn ich ihn jetzt dreimal durchlüfte, müsste er kommen", Klaus Meske aus Herzberg hatte eine Reihe von Hilfsmotoren für Fahrräder aufgebaut und führte sie vor. Mit mehr oder weniger lautem Knattern sprangen sie willig an und verbreiteten den Charm der 50er Jahre, als sich noch kaum jemand ein Auto leisten konnte. Klaus Meske, der in seiner Jugend Motocross fuhr, ist, wie er sagt, älter und somit ruhiger geworden. Allerdings vom Benzin konnte er nicht lassen. Und so hat er sich mit den Fahrrädern ein neues Hobby erschlossen. "Irgendwas muss man machen", sagt er. "Sonst rostet man ein." Er sammelte Fahrräder auf seinem Boden und versuchte daran die Motoren zu befestigen. Aber nicht an alle passt auch solch ein Antrieb. Inzwischen hat er das Problem gelöst und könnte, gäbe es diese "Konsumgüterproduktion" des Magdeburger Armaturen Werkes noch, den dortigen Fachleuten einen entscheidenden Hinweis geben, wie die Schwäche des vielgefahrenen "Hühnerschrecks" zu beseitigen wäre. Denn nicht die Speichen selbst, die oft kaputt gingen, waren das Problem. Es waren, so der gelernte Elektriker, die Naben, die kleiner waren als das Kettenblatt. Seitdem er das verändert hatte, lief sein Hühnerschreck, der mit bürgerlichem Namen "Simson 49,7 ccm, 1 PS, Baujahr 1954" heißt, problemlos mit ganz normalen Speichen. Seiner Ansicht nach müssen die Oldtimer, ob Fahrrad oder LKW, ausgeführt werden und nicht nur in Museen stehen. Genau dieser Meinung ist auch Max Strathmann. Der war, so verriet er, gerade einmal 13 oder 14 als er sich heimlich vom Vater den Hühnerschreck "ausborgte". Später, so erzählte er, machte er den Führerschein und stieg vom Moped aufs Motorrad und als dann Familie kam, auf den Trabi um. Nach Mügeln ist der Berliner das zweite Mal gekommen, weil es hier bei den IFA-Freunden so familiär, so offen und ehrlich zugeht. "Ich freue mich das ganze Jahr auf das Treffen mit Gleichgesinnten."

 

Nicht nur Omas und Opas

So oder ähnlich geht es vielen der mehr als 300 Teilnehmer und natürlich den 20 Mitgliedern, die die gastgebende Gemeinschaft inzwischen hat, wobei erstaunlicherweise das keineswegs nur Menschen im Oma- und Opa-Alter sind. Im Gegenteil. Der Älteste im Bunde ist gerade einmal 60. Eine gute Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die Gründungsversammlung nur etwas mehr als drei Jahre zurück liegt.

Die Gruppe hat es verstanden, Sponsoren mit ins Boot zu holen und ist für deren Unterstützung dankbar. So konnte als erster Sachpreis bei der Verlosung ein Rundflug von Oehna-Zellendorf aus angeboten werden.

Und was wäre so ein Treffen ohne eine schöne Ausfahrt? Die Oldies machten eine große Runde durch die Elbaue und waren am Samstagnachmittag in Schweinitz, Jessen, Grabo, Gorsdorf-Hemsendorf, Schützberg, Rade und Battin zu sehen.