Inhalt aus dem Archiv der Mitteldeutschen Zeitung

Altes DDR-Blech hochmodern

Bernd Maywald mit seinem weit gereisten SR1 am Samstag beim Ostmobile-Treffen auf dem Mügelner Freizeitgelände


(BILD: JOCHADE)

VON EVELYN JOCHADE

Liebhaber von Trabi, Wartburg und Co. werden bei der sechsten derartigen Veranstaltung der Jessener IFA-Freunde nicht enttäuscht.

MÜGELN. Gut, die Bezeichnung „altes Blech“ möge mir verziehen werden. Natürlich waren das alles Schätzchen, die da am Wochenende in Mügeln mehr als 1 500 Teilnehmer und Besucher in das Freizeitgelände am Badeteich lockten. Eingeladen zum sechsten Ostmobile-Treffen hatten die IFA-Freunde Jessen.


Doch wie jedes Jahr wurde das Spektrum der Fahrzeuge durch weitaus mehr Marken ergänzt, sodass das Anschauungsmaterial, einen ungefähren Einblick in die Motorwelt der ehemaligen sozialistischen Bruderstaaten bot. Unter den 350 Fahrzeugen, die Anzahl blieb im Vergleich zum Vorjahr ungefähr gleich, fand wohl jeder Besucher seinen ganz persönlichen Favoriten.

Fahrten an die Ostsee mit Kind und Kegel

Mario Brettschneider, Vereinsvorsitzender der Jessener, liebt die Formgebung des Wartburg 311, während er im tagtäglichen Leben auf die Sicherheit eines Volvo XC 60 schwört. Auch Jessens Bürgermeister Michael Jahn freute sich über soviel Zuspruch zu dieser Veranstaltung und gestand, er habe von diesen Vier und Zweirädern damals fast alles mal ausprobiert, was auf dem Markt war. Besonders gefiel ihm in Mügeln die Eleganz des Wartburg 313 Coupé, eines seltenen Modells aus dem Baujahr 1959. „Aber mein Herz“, so der Bürgermeister, „schlägt immer noch für mein erstes Auto. Unter dem Trabant 600, auch P60 genannt, habe ich mindestens so viele Stunden gelegen, wie ich gefahren bin.“ Nun, möglicherweise war das ein sogenanntes Montagsauto, eines, was am Beginn der Woche lustlos zusammen geschraubt worden war. Davon gab es scheinbar nur sehr wenige, wie würden sonst rund 25 Jahre nach der Wende noch so viele Ostmobile die Straßen bevölkern und bei Besuchern ganz besondere Gefühle hervorrufen. Da wurde sich in Mügeln an Urlaubsreisen zu Viert im Trabant an das ungarische Meer, den Plattensee, erinnert oder die Fahrten an die Ostsee mit Kind und Kegel. Stets war der Trabi zuverlässiger Transporter und manchmal auch Schlafstelle.

 

Die Entwicklung des Trabi-Dachzeltes 1976 durch den Tüftler Gerhard Müller aus dem sächsischen Limbach-Oberfrohna machte alle Rennpappe-Fahrer zu unabhängigen Campern. Wie besonders schon der Anblick des aufgebauten Spitzdaches ist, zeigte sich auch in Mügeln. Der Zelt-Trabi aus Zwickau wurde Publikumsliebling. Acht überregionale Bewerter hatten alle Augen voll zu tun, um die besten Modelle ihrer Klasse zu küren. „Eigentlich müssten“, sagte einer von ihnen, „alle, die einfahren, einen Pokal kriegen“. Reingefahren waren auch Timo, Steffi und Tobias (11) Hascher aus der Nähe von Chemnitz. Papa Timo hatte viel Geschick bewiesen und auf die Ladefläche ihres S 4000 eine perfekte Wohn-/Schlafkabine mit viel Holz, Kühlschrank und anderer technischer Einrichtung, nebst einer wasserdichten Plane darüber, gebaut. Ihr Urlaubsmobil landete dementsprechend auch auf dem ersten Platz in der Kategorie Lkw. Nicht ganz so weit hatten es die Henzes aus Mühlanger, die gleich mit drei Fahrzeugen angereist waren. Ein W 50, ein L 60 und ein B 1000 sorgen zu Hause dafür, so Thilo Henze, „dass es da immer was zu schrauben gibt“. Für die Dekoration aber haben die Henzes, die bereits zum vierten Mal in Mügeln dabei waren, Oma Gundula. „Die muss (zwar) nicht mit schrauben“, wie versichert wurde, „aber alle Vorhänge und auch die DDR-Fahnen passend machen.“ Seit sechs Jahren frönt die Familie diesem Hobby, auch Opa Peter ist mit von der Partie.

Mehr Übernachtungsgäste auf dem Platz

Falls doch das eine oder andere Ersatzteil oder Accessoire fehlte, in diesem Jahr hatten sich mehr Händler auf den Weg nach Mügeln gemacht als 2014. Ebenfalls blieben wesentlich mehr Übernachtungsgäste auf dem Platz. Das war bei einigen Gästen sehr angebracht, wie bei dem Fahrer des Wartburg Tourist, der mit 450 km, aus Oldenburg kommend, die weiteste Anfahrt zurück legte.

 

Aufgereiht standen die Schönheiten dann und ließen sich bewundern. Und tatsächlich gewann in der Kategorie Pkw der von Michael Jahn favorisierte Wartburg 313 Coupé, bei den Motorrädern siegte eine AWO und eine Schwalbe bei den Mopeds. Alle vereint aber genossen die „Piloten“ die große Ausfahrt am Samstag, die über Schweinitz, Jessen, Grabo, Schützberg, Klöden, Gorsdorf-Hemsendorf, Schöneicho, Gerbisbach wieder zurück nach Jessen und Mügeln führte. Überall erwartet von mit Kameras bewaffneten Schaulustigen. (mz)